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oder welche Ihnen so geheimnißvoll zu sein scheinen, daß Kluge und Thoren sich zu der Auflösung aufgefordert fühlen?"

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Hätte ich ahnen können, daß mir die Ehre zu Theil werden würde, mit Ew. Excellenz diesen Morgen ein solches Gespräch zu führen: so würde ich den Faust ein Mal wieder durchgelesen haben, um Alles frisch und lebendig aufzufassen. Denn es ist mir in der lehten Zeit so Mancherlei durch den Kopf gegangen, daß Eins und das Andere im Faust doch zurück getreten ist. Und deßwegen, und weil ich ohnehin doch nur wenig werde vorbringen können, will ich den ganzen wunderlichen Herenspuk übergehen, obwohl derselbe, als dem Glauben einer früheren Zeit angehörend, mit der Welt, in welcher wir leben, in einem schneidenden Widerspruch steht. Und auch die Geister-Erscheinungen will ich übergehen, die nicht minder jenes Geheimnißvolle an sich haben, das die Seele stachelt. Selbst den prächtigen Gesellen Mephistopheles will ich nicht anführen, obwohl er wohl Stoff zu mancher Bemerkung darböte. Dieser Teufel ist so stark von der Cultur beleckt worden, daß er ein recht behaglicher Gesellschafter zu sein. scheint, sehr verschieden von dem alten Teufel, der wie ein brüllender Löwe herum lief und die Menschen zu verschlingen suchte. Nur die Atmosphäre wird durch ihn, nach Gretchens Bemerkung, etwas schwül gemacht, troß seines freiherrlichen Benehmens. Da er aber nicht Ein Teufel aus vielen ist, sondern da er sich selbst den Teufel nennt und den Gruß der Seinigen als Junker Satan annimmt, so muß man erstaunen, daß der Fürst der Finsterniß sich soweit herab läßt, den Diener eines so unholden Herrn zu machen; man muß sich wundern, daß er sein großes Reich so lange

verlassen kann, um sich um die Seele eines pedantischen Magisters zu bewerben, und man kommt zu dem Schlusse, daß, wenn der Teufel fich so viele Mühe um jede Seele geben muß, die Hölle unmöglich stark bevölkert sein kann. Doch dieses sind nur Einfälle des Augenblickes; ich komme auf den Helden, auf Faust selbst. Faust ist, wie mir scheint, am Besten von dem Dichter selbst bezeichnet worden. Mephistopheles nennt ihn einen „übersinnlichen, sinnlichen Freier," allerdings nur in Beziehung auf Gretchen; aber es ist wahr in Beziehung auf Alles, um das er sich bewirbt, wornach er strebt. In ihm find unverkennbar zwei Seelen

,,Hm!"

Diese beiden Seelen, zusammengewachsene Zwillinge, befinden sich mit einander in einem unausgleichbaren Kampfe. Die eine, der göttlichen Natur im Menschen entsprechend, strebt dahin, woher fie stammt, nach dem Göttlichen, nach Wahrheit, Erkenntniß, Licht; die andere, die thierische Natur im Menschen, treibt zu jeglichem sinnlichen Genuß. Das ist nun, meine ich, nichts Unerhörtes; derselbe Kampf findet sich mehr oder minder, verschieden gestaltet und geführt, in dem Leben eines jeden Menschen. Das Abweichende und Widersprechende ist aber, daß sonst die thierische Natur wohl in der Jugend von Zeit zu Zeit den Sieg gewinnt, in späteren Jahren aber von der göttlichen überwunden wird, daß in Faust hingegen die göttliche Natur ein halbes Jahrhundert vorherrschend gewesen ist, und daß alsdann die thierische alle Gewalt dergestalt ausübt, daß er, der alternde Mann mit erkünftelter Jugend, oder vielmehr mit einer Heren - Jugend, daß

Er faumelt von Begierde zu Genuß,

Und im Genuß verschmachtet vor Begierde.

Und nur von Zeit zu Zeit erinnern seine Worte, im Widerspruche mit seinen Handlungen, daran, daß einst ein höherer Geist in ihm gelebt und gewirkt hat. Im wirklichen Leben ist das üppige Alter widerwärtig, und ein lockerer Greis eine häßliche Erscheinung. Den Faust macht nur die Poesie erträglich. Das ist der erste Widerspruch. Und andere drängen sich hervor.

Faust tritt auf, nachdem er schon Philosophie, Juristerei, Medicin und Theologie mit heißem Bemühen studirt hat. Nun macht er die Entdeckung, daß wir Nichts wissen können; aber zugleich auch die Entdeckung, daß er weder Gut noch Geld, noch Ehr' und Herrlichkeit der Welt hat. Darum mag er so nicht länger leben. Aber er weiß auch recht gut,

warum sein Herz

Sich bang in seinem Busen klemmt,

Warum ein unerklärter Schmerz

Ihm alle Lebensregung hemmt.

Denn er antwortet selbst:

Statt der lebendigen Natur,

Da Gott die Menschen schuf hinein,
Umgiebt in Rauch und Moder nur
Mich Thiergeripp und Todtenbein.

Auch verschreibt er sich sogleich ein Recipe:

Flieh! Auf! Hinaus ins weite Land!

Denn wenn Natur Dich unterweist,

Dann geht die Seelenkraft Dir auf.

An Statt aber der eigenen Vorschrift zu folgen, an Statt sich von allem Wissensqualm zu entladen und in die Natur hinaus zu gehen, ergreift er,,das Buch von Nostradamus eigner Hand“ und fängt an die Geister zu beschwören. Die Erscheinung bringt ihm nur Schauer, Demüthigung, Verwirrung. In der Fülle der Gesichte aber wird er gestört durch den ehrlichen Wagner, den trocknen Schleicher. Und wie schön und menschlich weiß er, der Mann der Verzweifelung,,,des unerklärten Schmerzes,“ der unendlichen Sehnsucht, wie schön und menschlich weiß er den redlichen Forscher an die einzige Quelle zu verweisen, aus welcher allein der Mensch sein heiligstes Bedürfniß befriedigen kann.

Das Pergament ist das der heil'ge Bronnen,

Woraus ein Trunk den Durst auf ewig stillt?
Erquickung hast Du nicht gewonnen,

Wenn sie Dir nicht aus eigner Seele quillt.

Er aber verläßt diese Quelle und ergiebt sich dem Teufel. Bei seiner ersten Erscheinung mit Mephistopheles spricht er noch eine Sprache, die seines früheren Strebens würdig ist. Er stellt seine Forderungen so hoch, daß man, wenn er auf die Erfüllung bestände, selbst die Ergebung an den Teufel verzeihen, daß man begreiflich finden würde, wie er geglaubt habe, um einen solchen Preis dürfe und müsse er selbst seine Seele verkaufen.. Und was der ganzen Menschheit zugetheilt ist, Will ich in meinem innern Selbst genießen, Mit meinem Geist das Höchst' und Tiefste greifen,

Ihr Wohl und Weh auf meinen Busen häufen.

Diese Worte erregen hohe Erwartung. Sie eröffnen die Aussicht

auf Großes, Gewaltiges, Erhabenes. Mephistopheles aber hat den Mann schon durchschauet: das beweiset die schnöde und höhnische Weisheit, welche er dem Manne zu predigen wagt, der alle Wissenschaften studirt hat. Und wenn Faust ihm auch noch ein Mal mit einem scheinbar - entschiedenen:,,ich will!" entgegentritt, so läßt er sich nicht irre machen. Und bald hat er die Freude zu sehen, daß der Held Vernunft und Wissenschaft vergißt oder verräth, daß er mit der feigen Frage:

Wie fangen wir das an?

allem Willen entsagt, daß derselbe sich mit der Antwort begnügt:

Wir gehen eben fort.

Deßwegen höhnt ihn Mephistopheles denn auch noch :

Den schlepp' ich durch das wilde Leben,

Durch flache Unbedeutenheit,

Er soll mir zappeln, starren, kleben.

Er sezt hinzu, als hätte er die Entdeckung gemacht, daß es kaum der Mühe werth gewesen, sich um diese arme Seele zu bewerben, weil sie ihm doch nicht entgangen sein würde:

Und hätt er sich, auch nicht dem Teufel übergeben,

Er müßte doch zu Grunde gehn.

Und in der That: welchen Gewinn hat denn Faust, der so GroBes, erstrebte, so Großes wollte, aus dem Bunde mit dem Teufel gezogen? Er hat mit Hülfe desselben ein junges, liebes, unschuldiges Mädchen verführt; das ist Alles. Und für diesen Zweck find Denn ein solches Buben=

die aufgewandten Mittel etwas groß. stück ist schon Manchem gelungen, ohne daß er einen Bund mit dem Teufel geschlossen, einen Herentrank verschlungen oder Ge=

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