3. Cardinal Jakob Stefaneschi über die letzten Augenblicke Benedikts XI. (7. Juli 1304). Unmittelbar auf die Notizen über die dritte Sitzung des Vienner Concils folgt in den Aufzeichnungen des Cardinals Jakob Stefaneschi ein kurzer Bericht über den Tod des Papstes Benedikt XI.1. Obgleich auch bei seiner Abfassung das Augenmerk des Schreibers vor allem auf das bei diesem Vorgang beobachtete Ceremoniell gerichtet war, so hat derselbe doch nicht nur für die Geschichte dieses letztern, sondern auch in manch anderer Beziehung einiges Interesse. Zum richtigen Verständniss dieses Berichtes ist ein Vergleich desselben mit dem Kapitel 143: 'de papa aegrotante', des unter dem Namen des Petrus Amelii veröffentlichten 'Liber ceremoniarum curiae Romanae' 2 unerlässlich. Erst dieser Vergleich zeigt, was von den Einzelheiten des Berichtes auf eine individuelle Entschliessung des sterbenden Papstes und was auf die stehenden Gebräuche der Curie zurückzuführen ist. Verliert nun hierdurch auch der Bericht gar manches von seiner individuellen Färbung und damit von seinem Interesse, so ersehen wir andererseits auch wieder, wie weit hinauf gar manche der Gebräuche jenes 'Liber ceremoniarum' reichen. Noch bemerke ich, dass Benedikt bei seinem Tode in Perugia wahrscheinlich in der Canonica von S. Lorenzo lag, in welcher er am 6. Mai desselben Jahres bei seiner Ankunft abgestiegen war 3. 1 Die Literatur über Benedikt s. in Grandjean, Benoît XI. avant son pontificat, 1240-1303, und Recherches sur l'administration financière du Pape Benoît XI. in Mélanges d'archéologie et d'histoire VIII (1888), 219-291 und III (1883), 47-67. 2 Mabillon-Germain, Museum Ital. II, 526 und in dem diesem Drucke mittelbar zu Grunde liegenden Cod. 607 (olim B. V. 1) der Casanatensis in Rom, Bl. 44a. In einer etwas spätern Fassung findet sich dieses Kapitel in Gatticus, Acta selecta ceremonialia, p. 231, aus Cod. Vatic. 4736, f. 1. 3 Brevi annali della Città di Perugia (1194—1352) im Archivio storico italiano ser. 1, t. 16, 1a p., p. 60: 'Adì 6 di maggio venne in Perugia papa Bendetto XI, albergò nella canonica di s. Lorenzo.' Der Bericht lautet: Bl. 8: Hodie, scilicet die martis post octavam Apostolorum, dominus noster dominus Benedictus papa XI in presentia fratrum2 dixit, se fuisse confessum in ista infirmitate et communicasse, et petiit extremam unctionem, et devote recepit per manus Albanensis episcopi 3, induti pluviali violaceo et stola subtus cocta, consignatis oculis, au- 5 ribus, naribus, ore et manibus oleo benedicto per Albanensem; et cruce et luminaribus ibi presentibus, et capellanis fatientibus offitium consuetum. Professus est etiam prius fidem catholicam dicens, quod vixerat in fide Romane ecclesie et in hac volebat mori, extra quam non erat salus; et si aliud diceret, non credatur, cum adiuratione per sanguinem 10 domini nostri Ihesu Christi. Hortatus est ad concordiam fratres, et post mortem suam, dixit, quod corpus suum legabat loco fratrum Predicatorum de Perusio, et adiuravit nos (8), quod non permitteremus aliud fieri de corpore suo. Dedit benedictionem fratribus sive cardinalibus et absolvit eos 15 ab omni vinculo excommunicationis etiam absentes et dispensavit cum cardinalibus, si aliquam irregularitatem incurrissent, et absolvit cardinales ab omnibus peccatis eorum, in quantum potestas clavium vel sua se extendebat 5. Recommendavit familiam suam nobis, et specialiter fratres, qui 20 sibi servierant. Et ordines Predicatorum et Minorum recommendavit 6. Dixit etiam, quod remuneraverat familiam suam de pecunia, quam ipse habuerat pro medietate et aliam medietatem dederat nobis. Expenderat partem in pios usus, partem pro aliquibus ecclesiis. Et credo, quod dixit partem pro familiaribus. Et putabat, quod bona pars esset ibi 25 adhuc. Et ea, que erant in camera sua secreta, non erant tacta, ut vasa et alia, quam custodiebat Michael ". 1 Am 7. Juli, an welchem er starb. 2 In Gegenwart der Cardinäle. 3 Leonardus Patrassus. 4 Dort in der Kirche von S. Domeneco steht noch jetzt das allerdings mehrfach restaurirte Grabmal. 5 Es ist wohl kaum nöthig, zu bemerken, dass die päpstliche Lösegewalt sich nur auf jene Vergehen erstreckt, welche der Sünder ernstlich bereut und für die Zukunft völlig zu meiden entschlossen ist. • Der Widerstand eines Theiles des Weltclerus gegen die Zulassung der Bettelorden zu seelsorglicher Thätigkeit dauerte noch immer fort. Es genügt, an Wilhelm von St. Amour, Johann de Pouilly und Richard Fitzralf, Erzbischof von Armagh, zu erinnern. Vgl. oben S. 580, Z. 36. 7 Ueber Michael de Encret, welcher unter Bonifaz VIII. und Benedikt XI. einer der päpstlichen Schatzmeister war, vgl. diese Zeitschr. I, 5. 5 Dixit etiam, quod de illis, que habuerat in cardinalatu et libris ordinaverat; sed non bene de hoc recordor, an hoc dixerit, sed quid videlicet de hiis, que habuerat in cardinalatu et libris. Fecit tamen de hiis mentionem. Et voluit papa, quod cardinales tenerentur illis sententiis, que erant in littera sua 1, quantum ad hoc, si habebunt vel habuerunt et non restituerunt vel restituunt, que fuerunt de thesauro ecclesie vel camera pape et similiter de bonis cardinalium. Zu diesem letzten Wort ist am Rand angemerkt: Non tamen cadunt 10 in sententiam, si non revelabunt habentes de bonis cardinalium. Et papa forte: absolutio etiam fratrum ab excommunicatione et irregularitate; et quomodo Lateran. voluit card[inales] teneri sententiis latis. Die Lossprechung von fast allen kirchlichen Censuren und Strafen zielte, wie ich glaube, wenigstens in zweiter Linie, auf die Sicherung der bevorstehenden Papstwahl ab. Ihre Giltigkeit konnte ja angefochten werden, wenn Glieder des Cardinalscollegs durch solche kirchliche Zuchtmittel betroffen, ihrer Würde und eben dadurch ihres Stimmrechts verlustig waren. Die letztwilligen Bestimmungen Benedikts sind mit den Testamenten Clemens' V. 2 und Gregors XI. 3 zusammenzuhalten. Verstehe ich den allerdings unklaren und verdorbenen Text richtig, so gibt Benedikt in dem nun folgenden Abschnitt in kurzen Worten Rechenschaft über seine Finanzverwaltung und theilt den Cardinälen summarisch seine letztwilligen Bestimmungen mit, wie dies der oben erwähnte 'Liber ceremoniarum curiae' vorschreibt 4. Hierbei erwähnt er zunächst, wie er während 1 Den hier gebotenen Angaben entspricht das Schreiben vom 6. November 1303 in Theiner, Codex diplomaticus dominii temp. I, 395. Dasselbe bezweckte die Rückerstattung der beim Ueberfall in Anagni geraubten Werthstücke. Vgl. Grandjean, Mélanges III (1883), p. 52, der allerdings das von Galletti (Discorso del Vestarario della S. Rom. Chiesa. Roma 1758, p. 58-76) veröffentlichte Inventar von 1304-1310 übersah; vgl. über dasselbe diese Zeitschr. I, 4f. 2 S. diese Zeitschr. V, 15-31. 2 3 D'Achery, Spicilegium III, 738-742. 4 Mabillon-Germain 1. c. II, 526: 'In praesentia ipsorum debet condere testamentum et eligere sepulturam . . . Item debet eis revelare debita per eum contracta pro ecclesia Dei, ut eius successor illis satisfaciat; item etiam, qui sunt creditores et quibus tenentur sibi et ecclesiae Romanae; et ubi sunt thesauri, iocalia et bona sua et ecclesiae.' seines Pontificates stets gemäss der von Nicolaus IV. getroffenen Bestimmung 1 von den gesammten Einkünften der römischen Kirche die eine Hälfte den Cardinälen zuwandte. Von der andern, ihm selbst zukommenden Hälfte hatte er, wie er versichert, bereits seine Dienerschaft bedacht, einiges für Kirchen und andere fromme Zwecke bestimmt. Doch glaubte er, dass noch ein bedeutender Theil erübrige; ausserdem sei der eigentliche, das Gold- und Silbergeräth enthaltende Schatz, der uns aus den Inventarien von 1295 und 1311 wohl bekannt ist, unversehrt unter der Obhut des Schatzmeisters Michael de Encret. Endlich erwähnt noch Benedikt, dass er auch über seine vor seiner Erhebung erworbene Habe und über seine Bücher verfügt habe. Diese besondere Erwähnung beweist, wie mir scheint, dass es bereits zu dieser Zeit Gebrauch war, alles, was der zur höchsten kirchlichen Würde Erwählte in den päpstlichen Palast mitbrachte, von dem während des Pontificates Erworbenen abgetrennt zu verwahren, da jenes in ganz besonderer Weise als sein persönliches, seinem freiesten Verfügungsrecht unterstehendes Eigenthum galt. Diesen Gebrauch habe ich an einer andern Stelle 2 für einige andere Päpste des 14. Jahrhunderts nachgewiesen. 4. Das Archiv der päpstlichen Ceremonienmeister. Gilt es, wie ich oben sagte, die handschriftliche Ueberlieferung des 'Liber ceremoniarum curiae Romanae' zu sammeln und zu prüfen, so kommt selbstverständlich vor allem das genannte Archiv in Betracht. Waren nun auch die Nachsuchungen, welche ich in demselben, dank der Gefälligkeit der Monsignore Sinistri und Catoni, anstellen durfte, für meinen besondern Zweck so gut wie fruchtlos, so hoffe ich doch, manchen Fachgenossen einen kleinen Dienst zu leisten, wenn ich hier kurz die historischen Materialien verzeichne, welche ich in demselben vorfand; wenngleich der weitaus grösste Theil derselben der neuern Geschichte 1 Raynaldus, Annales, ad an. 1389, n. 49 und Grandjean, Regestes de Nicolas IV, n. 2217. 2 S. meine Historia bibliothecae Rom. Pont. I, 717. angehört und ich nicht in der Lage bin, dieselben mit der wünschenswerthen Genauigkeit zu beschreiben. Es werden nämlich meine Mittheilungen immerhin manchen Forschern die mit grossem Zeitverlust verbundenen Nachforschungen ersparen, welche ihnen sonst der vielversprechende Titel dieses Archivs zur Pflicht machen würde, und manchen anderen Forschern, für welche hier wirklich etwas zu gewinnen ist, werden sie die Mühe des Nachforschens erleichtern. Das Archiv der päpstlichen Ceremonienmeister 1, welches früher in den herrlichen Räumen des Quirinals aufgestellt war, wurde 1870 in den Vatican geflüchtet und fand daselbst in einem unter der Sixtinischen Kapelle gelegenen Raum ein dürftiges und düsteres Unterkommen. Vor dieser Uebertragung war dasselbe nicht nur gut geordnet, sondern besass schon seit dem Beginne dieses Jahrhunderts einen gedruckten Catalog. Mit ihm haben wir uns vor allem bekannt zu machen. Da derselbe, wie der Verfasser selbst bemerkt, nur in wenigen Exemplaren (poche copie) oder, wie eine in das mir vorliegende Exemplar eingetragene Notiz besagt, nur in 50 Exemplaren, und zwar einzig für den Gebrauch der Ceremoniare gedruckt wurde, so ist derselbe, soweit ich ermitteln konnte, nicht einmal in einer der römischen Bibliotheken zugänglich und kenne ich nur zwei im Privatbesitz befindliche Exemplare. Ich theile daher vor allem den wichtigern Theil des auch die Geschichte des Archivs enthaltenden Vorworts theils im Wortlaut, theils im Auszug mit. Der Titel des 58 Seiten in Octav umfassenden, anonymen Schriftchens lautet: [Giovanni Fornici] Ristretto delle principali indicazioni sotto le quali sono raccolte in molti volumi e descritte con indice tutte le istru5 zioni, memorie e manoscritti, che si conservano nell' archivio de' maestri delle ceremonie pontificie a tutto l'anno 1803. 1 Vgl. über sie ausser Bangen und Moroni auch die den päpstlichen Hof verzeichnende, jährliche Publication: Gerarchia cattolica. |