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Doch erst als Moritz seinem Vater Wilhelm in der Regierung gefolgt war, sah sich der an Machtmitteln unterlegene Bischof veranlaßt, einzulenken. Er hatte die Überzeugung gewonnen, daß Hessen unter keinen Umständen den veralteten oder bestrittenen Ansprüchen Paderborns nachgeben würde, daß bei der Verfolgung des Rechtsweges kein Ende abzusehen wäre und die unleidlichen Beziehungen an der Grenze gebessert werden müßten. Der Landgraf Ludwig von Marburg erklärte sich bereit, die Vermittelung zu übernehmen 1). Der Bischof wurde in das mitten im Reinhardswald gelegene Jagdschloß Zapfenburg (Sababurg) eingeladen und erschien am 19. Juli 1596 mit 130 Pferden, die Landgrafen Moritz, Ludwig der Ältere und der Jüngere empfingen ihn. Am folgenden Tag trafen noch der Erzbischof Ernst von Köln und der Graf Franz von Waldeck ein, und es wurde gejagt. Ein Versuch, der von den Räten des Landgrafen Ludwig gemacht wurde, auf der Stelle in Verhandlungen einzutreten, scheiterte, weil die Landdrosten Rave und Heinrich von Westphalen, die in der Begleitung des Bischofs waren, nach anfänglichem Eingehn auf die Sache wieder davon. zurückkamen. Man verabredete nun, daß Landgraf Ludwig der Ältere und Graf Simon zur Lippe Vermittler und Schiedsrichter sein sollten, jede Partei sollte zwei adlige und einen gelehrten Rat am 6. Sept. zur Tageleistung nach Corbach in Waldeck entsenden. Die hessischen Abgeordneten, unter denen sich Otto von Starschedel und der Kanzler Heinrich Hund befanden, wurden angewiesen, sich von Anfang an mit den Vertretern Ludwigs ins Benehmen zu setzen, Disputationen zu vermeiden und danach zu streben, daß die Parteien von den Vermittlern gesondert vernommen würden. Die alten Händel sollten von der Diskussion ausgeschlossen sein; hinsichtlich der Abtei Helmarshausen habe Paderborn zwar ein kaiserliches Mandat für sich erlangt, seitdem seien aber über 40 Jahre vergangen und durch den Passauer Vertrag sei zu gunsten Hessens entschieden. Wenn Paderborn das Schwert anrufe, wie es gegen den Vorfahren des Landgrafen geschehen sei, werde es unter Umständen mehr verlieren als das, worauf es Ansprüche mache. Nur über die Grenzirrungen bei Wettesingen und Helmarshausen sollte tatsächlich verhandelt werden; man war auch bereit, einige tausend Taler zu opfern, um dem Handel ein Ende zu

machen.

1) Polit. Akten Paderb. 801. St. M.

Die Verhandlungen in Corbach bewegten sich tatsächlich auf der so vorgezeichneten Linie; es zeigte sich, welches Schwergewicht einem alten gefestigten Besitz der bestrittenen Gegenstände innewohnt. Wenn Paderborn auch unter Verzicht auf die älteren Ansprüche die Abtei gern in seine Gewalt gebracht hätte, so konnte doch davon durchaus keine Rede sein. Die Vermittler einigten sich am 8. Sept. auf folgende Vorschläge: 1. Die Abtei Helmarshausen verbleibt Hessen bis zum Erlöschen des Mannesstammes, dann fällt sie an Paderborn, dem seine Güter und Rechte verbleiben. 2. Die alten Forderungen werden gegenseitig aufgehoben. 3. Wegen der zwei Dörfer Wettesingen und Herlinghausen bei Warburg und der Festsetzung der Grenze bei Helmarshausen soll weiter verhandelt werden. 4. Hessen zahlt 5000 Goldgulden.

Die hessischen Räte empfahlen die Annahme der Vorschläge, und der Landgraf, der sich auf eine weit höhere Entschädigungssumme gefaßt gemacht hatte, erklärte sich ebenso wie der Bischof grundsätzlich mit ihnen einverstanden. Die Verhandlungen wurden am 15. Nov. fortgesetzt und zwar in Warburg, um den Augenschein leichter einnehmen zu können. Hatten die Abgeordneten des Landgrafen Moritz zuerst erklärt, sie könnten auf keins der beiden Dörfer verzichten, obgleich sie, wie unter anderm auch der Lauf der alten Landwehr vermuten ließ, ursprünglich wohl zum Hochstift gehörten, so mahnte Landgraf Ludwig, der unverglichene Rest sei gegen das andere für eine Kleinigkeit zu erachten und man dürfe nicht, wie es im Sprichwort heiße, einen Löffel aufheben und eine Schüssel darüber zertreten. Die paderbornischen Räte bestanden auch darauf, daß eins der Dörfer dem Bischof zufalle; es müsse etwas sein, was ihren Stiftsherrn die Augen fülle. Da die Wahl des Dorfes dem Belieben der Vermittler überlassen blieb, so wurde dem Bischof das Malsburgische Dorf Herlinghausen, das an Wert und Umfang weit gegen das andere zurückstand, zugesprochen unter Vorbehalt aller Rechte, welche die von der Malsburg daran hatten. Das war die einzige Abtretung bisher hessischen Territoriums. Die Feststellung der Grenze bei Helmarshausen machte keine großen Schwierigkeiten; es wurde gründliche Arbeit gemacht, indem die ganze Grenze zwischen Hessen und Paderborn bearbeitet wurde. Von unbedeutenden Änderungen abgesehen, ist es dieselbe Linie, die heute noch die Provinzen Hessen-Nassau und Westfalen an der Diemel, scheidet, sie stellt mit ihren

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vielen ein- und ausspringenden Winkeln schwerlich die alten Grenzen dar. Die Klostergüter, welche jenseits der festgestellten Grenze lagen, fielen dem Bischof zu 1).

Der Vertrag wurde am 5. Jan. 1597, fast 600 Jahre nach der Stiftung des Klosters, in Kassel vollzogen 2). Die bischöflichen Vertreter erhielten nach der Sitte der Zeit goldene Ketten als Zeichen der Anerkennung, seinem Oheim Ludwig verehrte der Landgraf wegen seiner guten Dienste ein ausgefüttertes Straußenei. Der Kammermeister hatte sich ausgebeten, daß ihm die Ablieferung des Geldes, die Kammersache, nicht Kanzleisache sei, aufgetragen werde, ,,ob etwas dagegen abtriefen möchte." Die Beweisurkunden, welche die Parteien bisher sorgsam hinter sich behalten hatten, wurden ausgetauscht, wobei die Bevollmächtigten Paderborns bemerkten, daß die empfangenen beim Kapitel wenig Ansehen gegen die ausgelieferten haben würden.

Bisher hatten Paderborn in Helmarshausen noch einige Güter und Rechte zugestanden. Das Paderborner Haus auf dem Krukenberg war wie die andern festen Häuser in der Burg verfallen und unbewohnbar. Die Gerichtsbußen innerhalb der Stadt mit Ausnahme der vom peinlichen Gericht und der sogenannte Vogtzins, der bei der Ratsveränderung gezahlt wurde, gehörte dem Bischof zur Hälfte; diese Abgabe fiel infolge des Vertrags fort. Es blieben ihm noch drei Hufen Land mit Zubehör vor dem hohen Holz und der halbe Pflug- und Sicheldienst, der auf die Burg zu leisten war. Dies Gut war den von Wintzingerode verpfändet und kam nach dem Aussterben des Mannesstamms dieser Linie an Bernd und Silvester von der Malsburg, deren Mutter die Erbin war. Als Silvesters Tochter, die Witwe von Büren, beim Verkauf eines anderen Gutes im J. 1597 dem Bischof Theodor diesen Grundbesitz mit überlassen hatte, schenkte er ihn dem Gottschalk von der Malsburg erblich. Der letztere wollte das Gut, das 112 Morgen umfaßte, den Bürgern im einzelnen verkaufen, aber der Landgraf Moritz bestritt ihm das Recht dazu und erwarb es im J. 1617 selbst.

Damit war das letzte Band zwischen dem Bistum und der ehemaligen Abtei gelöst. Zwei verschiedene Motive mochten den Bischof Theodor bei den Zugeständnissen, die er machte, geleitet haben. Auf der einen Seite

1) Vgl. Wenck II, 916.

2) Abgedruckt bei v. Steinen, Westphäl. Gesch. fortges. v. Weddigen V, 2 S. 1049-1070.

ältesten hessischen Kanzler" [des 15. Jh.] liegt nur in ausführlicher Skizze vor im „Hessenland" 1898 S. 110 bis 112, ein anderer über „Die hessischen Hofmaler des 16. Jahrhunderts", den er 1899 in den Geschichtsvereinen zu Kassel und Marburg gehalten hat, in unsern ,,Mitteilungen“, Jahrgang 1898 S. 50 f. (vgl. S. 54) und S. 72 f. Sehr eingehend beschäftigte er sich mit dem Ausgang Sickingens im Jahre 1523. Veröffentlicht ist davon nur der kurze Bericht über einen Vortrag vom März 1904 im Gießener Geschichtsverein „Die Eroberung der Burg Landstuhl" in den Mitteilungen des oberhess. Geschichtsvereins N. F. 13 (1905) S. 123. Von viel größerer Bedeutung ist seine scharfsinnige und überzeugende Besprechung von Meinardus' Katzenellenbogischen Erbfolgestreit (1899) in den Göttingischen gelehrten Anzeigen 1901 S. 489-509. In verdienstvoller Erörterung lehnte er den Versuch von Meinardus, jenem Streit eine entscheidende Bedeutung für die Entwickelung der Reformationsgeschichte beizulegen, als verfehlt ab, insbesondere bestritt er einen sachlichen Zusammenhang zwischen den Packschen Händeln und dem Katzenellenbogenschen Prozeß im Gegensatz zu Meinardus, der Landgraf Philipp wieder als Betrüger und Fälscher statt als den von Pack Betrogenen hingestellt hatte.

Die Überschau auch dieser kleineren Arbeiten Diemars gibt ein gewisses Bild von den Interessen, Arbeiten und Arbeitsplänen, die er verfolgte. An seinem Sarge wurde ausgesprochen, daß ihm der Gedanke einer Geschichte Landgraf Philipps vorgeschwebt habe. Übernommen hatte er nach Vollendung der Gerstenbergausgabe die Fortsetzung der Landtagsakten" mit einem zweiten Band, nachdem der erste mit dem Jahre 1521 abgebrochen hatte. Das vorausgehende letzte Jahrzehnt seines Lebens war im wesentlichen erfüllt von der Beschäftigung mit der Historiographie Hessens am Ausgang des Mittelalters. Für eine erst vor etwa dreißig Jahren aufgefundene sehr wertvolle Quelle, die auch der hessischen Geschichte wichtigen Stoff zuführte, für das Chronicon Moguntinum des 14. Jahrhunderts, welches mit seiner schlechten Überlieferung dem Scharfsinn des Herausgebers (K. Hegel) und der Kritiker (A. WyB, Scheffer-Boichorst und Diemar) schwere, aber fruchtbringende Aufgaben stellte, hatte Diemar 1893 bei erschöpfender Beherrschung der Phraseologie jenes Mainzer Chronisten und intimer Sachkenntnis vortreffliches geleistet

Hermann Diemar.

Von

K. Wenck.

Als am 26. Mai dieses Jahres Hermann Diemar erst fünfundvierzigjährig nach kurzem Kranksein überraschend aus dem Leben schied, haben viele von uns mit aufrichtiger Trauer beklagt, daß er so früh der Wissenschaft und seinen Freunden entzogen wurde. Uns und ihm hätten wir gewünscht, daß er der hessischen Geschichtsforschung noch mehr gleich wertvolle Gaben schenken möchte, wie seine im vorigen Jahr erschienene Ausgabe der Chroniken Wigand Gerstenbergs, und nur ein wehmütiger Trost war es, daß er den „Dank für die damit geleistete mühselige und entsagungsvolle Arbeit, für die nicht nur fleißige und sorgfältige, sondern auch tüchtige und umsichtige Arbeit“ noch eben von berufenster Seite (O. Holder-Egger im Neuen Archiv für ältere deutsche Geschichte 35, 605) empfangen hatte. Diese wohlverdiente Würdigung war ihm um so mehr zu gönnen, als ihm in der verhältnismäßig spät betretenen akademischen Laufbahn die Anerkennung einer staatlichen Anstellung versagt geblieben ist. Konnte er sich seinem Lehrberuf doch auch nicht ohne Hemmungen durch Kränklichkeit widmen! An Eifer und Hingebung hat er es wahrlich weder früher noch später fehlen lassen, und vielleicht nur zu groß war die Liebe, die er an die Erforschung alles Einzelnen setzte. Keineswegs nur den schriftlichen Quellen war sie gewidmet, sein ausgeprägtes Anschauungsvermögen trieb ihn früh zu denjenigen Denkmälern des geschichtlichen Lebens, die durch Kunst und Kunstgewerbe geschaffen waren. Als Student wurde er Schüler des Archäologen Kekulé in Bonn, des Kunsthistorikers Springer in Leipzig. In Leipzig war er zwei

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