christlichen Fürsten, daß es von dem Einfall der Türken keine Kenntnis besessen hätte, während doch Sanuto berichtet, daß bereits am 27. Januar 1414 in Venedig verkündet wurde, daß die Türken in Ungarn eingefallen seien '). Selbst wenn diese Aufzeichnung unterblieben wäre, müßte man in anbetracht der Lage der venetianischen Besitzungen auf eine Verlegenheitslüge des Rates schließen. Allerdings verfeindeten sich die Türken auch bald mit der Republik, indem sie dieser den Vorrang im Levantehandel streitig machten"); doch waren dies Vorfälle, die an den vorherigen Beziehungen zu den Türken nichts ändern. Sigmund war durch diese Verhältnisse aber ein weiteres Mittel in die Hand gegeben, das Ansehen der verhaßten Republik vor der übrigen christlichen Welt herunterzusetzen, und es ist nicht ausgeschlossen, daß dieser Umstand die Befolgung des von ihm erlassenen Handelsverbotes wesentlich unterstützt hat. Wie sehr die Venetianer davon betroffen wurden, geht aus dem Inhalt des Protestschreibens an die christlichen Fürsten hervor, mit dem sie sich rein zu waschen hofften). 1) Finke, Quellen p. 318-319 und Vite 1. c. p. 887 и 897. Als Beweise für ihre Schuldlosigkeit am Ausbruch führen sie an, sie hätten früher sogar einmal Sigmund aus der Türkengefahr gerettet, ihn bei seiner Flucht vor denselben in Byzanz auf ihre Schiffe genommen und nach Dalmatien gebracht. Auch dem Herzog von Burgund, der in türkischer Gefangenschaft saß, hätten sie Beweise genug für ihre Stellung zu den Türken erbracht. Selbst der Polenkönig könne zu ihren Gunsten das Gerücht dementieren, da er ja wisse, wie sehr sich Venedig um Unterdrückung der Türken bemühte. Vgl. Finke, 1. c. p. 318-319. Diese Beweise entlasten aber m. E. die Venetianer nicht. 2) Bereits im Sept. 1415 fielen sie in Tenedos ein, die Venetianer mußten ihre Waren vor den beutegierigen Händen nach Konstantinopel in Verwahrung senden. Vite 1. c. p. 898. Schon im Juli desselben Jahres hatte Venedig von Nicolaus Foscolo und Peter Zeno die Nachricht erhalten, daß der gran Turco eine große Flotte von 50 Galeeren rüste, um einen Anschlag gegen die der Republik gehörigen Inseln Negroponte und Creta auszuführen. Vite 1. c. p. 896. Im Januar 1416 lauerte die türkische Flotte venetianischen Handelsschiffen, die von der Handelsreise von Konstantinopel zurückkehrten, auf und verfolgte diese bis nach Gallipoli und Tenedos, aber erfolglos; die venetianischen Schiffe entkamen nach langer großer Gefahr nach Negroponte. Von dort aus benachrichtigten sie Venedig von der gefährlichen Lage. Dieses sandte Pietro Loredano als Generalkapitän mit einer Flotte gegen die Türken, die am 29. Mai 1416 in der Schlacht bei Gallipoli gründlich geschlagen wurden. Die Freude in Venedig über diesen Sieg war unbeschreiblich, überall feierte man daselbst Freudenfeste. Vite 1. c. p. 899-900 und Naugerius, Historia Veneta Mur. XXIII p. 1080. Am 1. Aug. 1416 kam dann zwischen Venedig und dem Sultan ein Friede zustande, gemäß dessen Bestimmungen der Türke alles, was er den Venetianern abgejagt hatte, zurückerstatten mußte. Naugerius 1. c. p. 1080; dazu vgl. Lebret, Geschichte der Verfassung von Venedig II, p. 383. Martène, Thesaur. II, p. 1665-1666. 3) Finke, Quellen p. 318-319. Bei diesem Mißtrauen zwischen Sigmund und Venedig und bei wiederholten Anfeindungen, die trotz des Waffenstillstandes weitergepflegt wurden, ist es erklärlich, daß die Republik von vornherein die Beschickung des Konstanzer Konzils in Frage stellte. Schon die Wahl einer deutschen Stadt als Konzilsort mußte in Venedig Bedenken erwecken, da man nach den Erfahrungen, die man auf dem Konzil zu Pisa gemacht hatte, auch diesmal mit der Möglichkeit einer neuen Papstwahl rechnete. Aber Venedig hatte, wenn es auch aus Vorurteil gegen den Leiter des Konzils keine offizielle Vertretung nach Konstanz schickte, das größte Interesse daran, sich über die einzelnen Vorgänge am Bodensee stets unterrichten zu lassen. Bereits an anderer Stelle wurde darauf aufmerksam gemacht, daß Johann XXIII. mit der Republik Venedig in Briefwechsel stand'), und daß diese mehrere Prälaten und andere Kleriker, die zu ihrem Gebiet gehörten, hatten nach Konstanz ziehen lassen *). Bekannt ist auch das Treiben der Kurialistenpartei auf dem Konzil; sie werden die Feindschaft zwischen Sigmund und Venedig mußte ihnen auch bekannt sein jeden Vorgang, der irgendwie das Verhältnis der Venetianer zu Sigmund und infolgedessen auch zum Konzil zu verschlimmern geeignet war, an die Republik berichtet haben. An Verhetzungsversuchen fehlte es bei dem bekannten Haß der Kurialisten gegen Sigmund und das Konzil jedenfalls nicht. Auf diese Weise erhalten die Venetianer schon in den ersten Monaten des Konzils Nachrichten über den Verlauf der Verhandlungen daselbst, die sie veranlaßten, die Konstanzer Synode als eine nationale Gefahr zu bezeichnen *). ') Oben S. 47*. 2) Oben S. 46*. *) Am Anfang der Synode schweigen sie noch und verweigern nur die Beschickung. Aber bereits Anfang Februar hatte Venedig das Konzil, das unter dem Schutz Sigmunds stand, bei einigen Herren der Lombardei als nationale Gefahr bezeichnet. Am 4. Februar 1415 schrieb Ugucio an den Papst, Venedig sei betr. der Konzilsbeschickung der Ansicht, daß, da Sigmund ad damna dispositus, ganz Italien dagegen ankämpfen müsse und vor allem keine Gesandten schicken dürfe. Staatsarch. Ven. VI f. 33. Bei dem Versuch, Karl Malatesta von der Reise nach Konstanz zurückzuhalten, betont Venedig vor allem turpia et inhonesta verba eius (Sigmunds)contra italos prolata... et elatione sua, quia neminem appreciat et nullam existimacionem facil de aliquo cuiuscumque gradus et extimacionis sit, ferner seine Treulosigkeit. Staatsarch. Ven. VI f. 44. Darüber vgl. Hollerbach a. a. O. 1910, S. 28 f. Einige Tage darauf, 27. III. erklärt Venedig demselben, comprehendimus et videmus disposicionem regis fore, quod concilium faciat totum, quod eidem regi placet, et praticata hucusque deinde non secundum iura canonica set secundum voluntatem dicti regis processerunt. Auch er werde bei seiner Ankunft in Konstanz nicht nach rechtlichem Empfinden und seinem Gewissen handeln können, sondern er werde sich der rücksichtslosen Gewalt Sigmunds fügen müssen. Staatsarch. Ven. VI fol. 50. Aus diesem Grunde veranstaltete Venedig damals eine große Agi tation gegen das Konzil und versuchte bei dieser Gelegenheit sein höchstes politisches Ideal zu verwirklichen: jeden Einfluß des römischen Königs auf Italien zu vernichten. Sämtliche Städte sollten nach seiner Ansicht zu Zeiten der Gefahr zusammenstehen, ihre Truppen bei der Ankunft Sigmunds auf italienischem Boden am Fuß der Alpen ihm entgegenstellen und ihm somit für immer den Eintritt in Italien untersagen '). Dieser Wunsch nationaler Einigung gegenüber dem Ausländer erfüllt sämtlich Instruktionen und Schreiben, die in der Konzilszeit vom Rat der Republik Venedig an die übrigen italienischen Staaten gerichtet wurden. Aber das damalige Italien war für eine solche nationale Einigung, wie man sie gerne gehabt hätte, noch nicht reif; wohl fühlte man den Inhalt des gemeinsamen Namens und die Zusammengehörigkeit"), wohl leistete man im Kriegshandwerk von den Ausländern Beachtetes), aber man klebte noch zu sehr am Einzel ... Nach Florenz berichtet Venedig über das Konzil in einem Schreiben vom 11. Juni 1415: Sigmundus nihil aliud in dicto concilio solicitavit nisi illud, quod posset in preiudicium et damnum ac turbationem pacifici status Italie redundare quia numquam permisit cardinales in dicto concilio sequi facta dicti concilii secundum canonicas constituciones, ymo vituperando reverendissimos dom. cardinales et totam Italicam nacionem et similiter omnes Italicos esse proditores et feces omnium aliarum nacionum et Yberniam, quae est ita parva provincia, esse meliorem Italia, reduxit dictum concilium violenter ad privandum dominum papam Johannem, de quo immense doluimus et dolemus, tum respectu persone d. domini pape, tum respectu pacifici status Italie. Am Schluß dieser Ermahnung weisen sie auf die allgemeine Gefahr, in der Italien sich befinde, hin und erklären, daß es Pflicht sämtlicher italienischer Städte sei. sich gegen den nationalen Feind zusammenzutun. Vgl. Gesandtschaftsinstruktion Staatsarch. Ven. VI fol. 50 ff. An anderer Stelle (Staatsarch. Ven. VI fol. 98) verspricht Venedig alles einzusetzen, ut fiat unio inter dominos Italie ad pacificum (statum) Italie, ne gentes barbare veniant ad occupandam Itatiam. 1) Staatsarch. Ven. VI. f. 50 ff. *) Finke, Quellen p. 311-314. Im Vertrag zu Sala schwor der Herzog von Mailand dem König Sigmund auf sein Verlangen, ihm jederzeit eine Unterstützung von 2000 Reitern und andere, in Italien ausgebildete Truppen zur Verfügung zu stellen. Leonardi Aretini (Mur. XIX p. 919) sagt vom italienischen Heer: Arma per hoc tempus (damit meint er den Anfang des Schismas) in manus Italorum penitus redierant, quum superiori tempore per equites exterarum nationum mercede conductos bella geri per Italiam consuevissent... Apud hos gloria equestris habebatur, nostri autem perpauci se miliciae dedebant. Me puero, primum nostri veterem equestris militiae gloriam recuperantes, magnis Italorum turmis militare coeperunt, crescensque multitudo usque adeo peritia et audacia praestitit, ut nemo jam exterum equitem habere vellet, victoria et spes omnium bellantium in Italico equitatu reponeretur. staat, der noch nicht den Opfermut besaß, seine Interessen hinter die des ganzen Landes zurückzusetzen. Daher war ein dauerndes Zusammengehen der Italiener in jener Zeit unmöglich '). Venedig ließ sich indessen durch solche Erwägungen nicht entmutigen, es schürte an der Flamme weiter, die es einmal entzündet hatte. Nach allen Städtestaaten Italiens eilten seine Gesandten mit diesbezüglichen Aufträgen, von allen Seiten liefen Anfragen ein, wie man sich in der gegenwärtigen Lage verhalten solle. Florenz, Genua, Mailand, viele kleine Herren der Lombardei, selbst der König von Neapel standen in der Konzilsangelegenheit mit Venedig in Unterhandlung. In Mailand herrschte zur Zeit des Konstanzer Konzils Filippo Maria Visconti; bei seinem Bestreben den Besitzstand seines Vorgängers und noch andere Gebiete hinzuzuerlangen, verfolgte er eine ganz wechselvolle Politik, der niemand trauen durfte. Wo Gewinn zu suchen war, da war auch schon der Doge von Mailand, um ebenso rasch wieder das eben geschlossene Bündnis aufzugeben, wenn es seinen Hoffnungen nicht entsprach. Durch seine Versuche, sich möglichst viele Gebiete zu erobern, kam er früh mit Sigmund in Konflikt, doch wußte er einen Krieg dadurch zu vermeiden, daß er sich zum Vertrag von Sala (23. Okt. 1413) herbeiließ und dem römischen König Treue schwur *). Wenige Tage darauf begannen die Zerwürfnisse von neuem, und Sigmunds Ankunft drohte wieder. Diesmal schloß der Mailänder zum Schutze gegen den erwarteten Feind eine Liga mit Venedig und Pandulf Malatesta *). Doch war er ihr kein treuer Verbündeter, er knüpfte wieder Unterhandlungen mit Sigmund an, und trotz aller Ermahnungen vonseiten Venedigs, er solle in der Liga bleiben *), ließ er sich zur Absendung einer Gesandtschaft nach Konstanz verleiten. Am 24. November bestellte er bei Johann XXIII. Geleitsbriefe für dieselben 3), und am 29. Dezember weilte bereits der Vorbote Filippos in Konstanz, um unter Vermittlung des Kardinals von Ursini und Zabarellas die Friedensverhandlungen anzubahnen. Wie wenig Sigmund den Anerbietungen des Dogen traute, geht aus der Tatsache hervor, daß der König den Boten als Spion vor die 1),,Le particolari ambizioni, i differenti interessi impedirono anche questa volta che si effettuasse la lega di tutta Italia proposta dai Veneziani a sostegno della commune independenza" sagt Romanin 1. c. p. 78. 2) Finke, Quellen p. 311-314 und Forschungen S. 10. *) Vite de' duchi 1. c. p. 887-888. Die Liga kam im März 1414 zustande. Venedig stand zur selben Zeit im Bündnis mit Ladislaus von Neapel. Ebenda. *) Ebenda. 5) Finke, Quellen p. 316. Tore der Stadt setzte 1). Am 18. Februar 1415 erschien die wirkliche Gesandtschaft des Dogen von Mailand mit dem Abt Manfredo della Croce an der Spitze in Konstanz. Ihr Auftrag war, Sigmund im Namen des Dogen Treue und Anerkennung zu schwören, um von ihm als Gegenleistung Investitur Filippos zu verlangen *). Zu diesem Schritt hatte sich Filippo Maria Visconti aber jedenfalls nur deshalb entschlossen, weil er den geplanten Zug Sigmunds in die Lombardei nicht anders abwenden zu können glaubte 3). Sigmund war damals von den peinlichen Konzilsgeschäften ganz in Anspruch genommen; zu langen Erörterungen mit dem Mailänder blieb ihm keine Zeit, so nahm er das Anerbieten desselben an *). Entrüstung herrschte in Venedig über das treulose Verhalten des Mailänders, der erst im März 1414 eine Liga mit ihnen eingegangen hatte. Seine Hoffnungen auf die nationale Einigung waren seitdem um vieles gesunken, trotzdem gab es nicht alles verloren, denn es wußte ja nicht genau, wie weit der Mailänder sich mit dem römischen König eingelassen hatte '). 1) Finke 1. c. 252. Die Schilderung der Begegnungsscene zwischen Sigmund und dem Boten des Mailänders mit Namen Martin ist sehr drastisch, wirkt aber durch das verdeutschte Latein geradezu komisch: Sigmund: Martine, Martine quid facis hic? Martin: Ad Serenitatem vestram veni! Sigmund: Tu explorator es, et pro parte illius, qui mihi rebellis est, huc venisti! Nisi reverentia pape esset, te suspendi facerem. Cave tibi, ne hic te amplius reperiam. Ueber diese Gefangennahme des mailändischen Boten entstand auf dem Konzil große Aufregung: es hieß, Sigmund habe die Freiheit gefährdet. Am 31. Dez. fand auf Befehl Johanns XXIII. im päpstl. Palast eine Versammlung der Prälaten statt, in der beschlossen wurde, Sigmund auf die Grenze seiner Machtbefugnisse hinzuweisen. Ueber den Vorfall vgl. auch Schiff a. a. O. S. 63. *) Hardt IV 12 p. 510 und V p. 109 ff. Finke, Quellen p. 258 erwähnt außer Manfredo della Croce noch den episcopus Alexandrie, abbas s. Ambrosii Mediolanensis, Gaspar de Vicecomitibus, miles, Galeottus de Caesare, Antonius de Gentilibus legum Doctor, Otto de Mandello, miles. 3) DRTA VII No. 183. Sigmund sammelte noch vor dem 25. Februar 1415 Truppen zu einem Zug in die Lombardei. 4) Vgl. Schiff a. a. O. S. 63-64. 5) Am 4. April schickte der Herzog von Mailand wahrscheinlich auf Veranlassung Venedigs Gesandte nach Venedig und ließ daselbst erklären, quod non conduxerit neque tractaverit concordiam cum rege Romanorum contra formam lige, quam invicem habemus et quod informacio vobis data non est vera, quia dominus suus est dispositus observare formam lige. Staatsarch. Ven. VI. fol. 45. Am 10. April beschloß der Rat, die nach den Verpflichtungen des Ligavertrages an die Mailänder abzusendenden Salzschiffe, die sistiert waren, weil man glaubte, Filippo Maria Visconti habe mit Sigmund ein concordium geschlossen, jetzt doch abzusenden, weil man sich getäuscht hätte. |